Der heutige Tag beginnt in einem Hotel in der Nähe von Lugar, indem wir 2 Nächte sind, daher ergibt es sich den Norden der Insel zu erkunden. Wir planen heute einen ganz besonderen Trip aber dazu später etwas mehr. Zunächst fahren wir der 1 entlang richtung Nordwesten um dann in die 845 abzubiegen. An dieser Straße halten wir zum ersten Mal um ein kurzes Stück entlang des Vestmannsvatn zu wandern.
Das nächste Ziel ist ein kleines Dorf im Norden entlang der Straße 85 und dort machen wir die nächsten Aufnahmen.
Der Ort in dem wir uns befinden heißt Húsavík und Kennern der Insel wird schnell klar was genau wir hier vorhaben. Wir möchten eines der absoluten persönlichen Highlights erleben, eine Walbeobachtung, die wir am Vortag telefonisch gebucht haben. Da wir früh da sind, haben wir noch etwas Zeit uns im Hafen umzusehen.
Dann geht es an Board. Wir bekommen zum Schutz gegen die Kälte und Spritzwasser einen dicken Overal, den wir anziehen können. Es ist ein sonniger Tag und im Grunde bräuchten wir den Anzug nicht, die normale Outdoor-Kleidung, die schon aus mehr Schichten besteht, hätte vermutlich gereicht. Andere Reisende, mit denen wir auch ins Gespräch kommen, nehmen die Anzüge dankend an. Nur in Shorts gekleidet wäre es tatsächlich etwas frisch geworden. Diese Tour war ausgelegt Papageientaucher auf dem Meer zu beobachten und auch Wale zu sichten und auf das freuen wir uns wahnsinnig. Das schaukeln des Bootes ist abenteuerlich aber das gehört auf Schiffen dieser Bauart, es sind alte Fischerboote, einfach dazu. Der Guide erklärt über Mikrofon über die Tour und die Tiere die wir beobachten wollen und alle an Board sind gespannt was wir sehen werden.
Es gibt dazu keine Bilder, nicht dass ich keine gemacht hätte aber wir sind zutiefst enttäuscht und entsetzt von der Art und Weise wie dort, in Húsavík von den Anbietern die Beobachtung verstanden wird. Ich möchte nichts zeigen was damit in Verbindung gebracht wird und ehrlich, so eindrucksvoll sind die Bilder nicht. Was hat uns gestört? Kurz gesagt: Alles!
Zunächst steuern wir einen vorgelagerten Felsen an, bei dem sich einige 100 Papageientaucher im Meer tummeln um auf Beutefang zu gehen. Der Kapitän steuert ohne Rücksicht mitten durch die im Meer schwimmenden Vögel, ohne auch nur einmal kurz vom Gas zu gehen. Viele der Vögel fliegen in Panik davon, einige die gerade auftauchen, müssen sofort wieder abtauchen um nicht vom Boot überfahren zu werden. Das hat mit Beobachtung nichts zu tun, es ist schlicht pervers und grenzt an Tierquälerei. Als dieses furchtbare Schauspiel zu Ende ist geht es weiter in den Atlantik um Wale zu beobachten. Dort ist bereits ein Boot in der Nähe von Walen und der Kapitän steuert in diese Richtung. Wir werden von Schnellbooten überholt die das gleiche Ziel haben. Von weitem ist ersichtlich dass sich dort zwei Wale aufhalten, die etwa alle 5 Minuten auftauchen um Luft zu holen. Als wir näher kommen wird klar, dass es sich um ein Muttertier mit einem kleinen Kalb handelt und das Schauspiel ist entsetzlich. Wie Walfänger kreisen die Boote die zwei immer wieder flüchtenden Wale ein, wobei zwei Schnellboote Fluchtwege abschneiden und ein Tier tatsächlich beinahe von unserem Boot überfahren wird. Es muss jedem halbwegs gebildeten Menschen klar sein, dass diese Wale keinen Kontakt suchen, im Gegenteil. Es gibt durchaus Wale die entlang der Boote schwimmen, neugierig sind und von selbst die Nähe aufsuchen und wir haben gehofft so etwas zu beobachten. Wenn dem nicht so ist, so wie an diesem Tag ganz eindeutig, dann ist das eben, wie bei vielen anderen Versuchen Wildtiere sehen zu wollen, gerade nicht möglich und das ist zu respektieren. Diese regelrechte Wut irgendwelchen sensationsgeilen Spinnern etwas präsentieren zu müssen ist zutiefst erschütternd.
Diese grausame Tierquälerei soll also wirklich das Aushängeschild, das Zentrum der Walbeobachtung Islands sein. Immer mit Vollgas den Tieren auf Nahrungssuche nachstellen, ohne Rücksicht auf Verluste? Niemals den Motor abstellen um besonders unangenehm für die Tiere zu sein? Da sich zahlreiche Unternehmen an dieser Hetzjagd beteiligt haben, darf ganz pauschal von Beobachtungen, die von diesem Ort ausgehen, abgeraten werden.
Wir nehmen uns vor diese Zustände, dass geschützte Tierarten unnötig bedrängt werden, den Behörden zu melden und belassen es dabei. Ein Protest bei Tierquälern scheint wenig sinnvoll und noch weniger zielführend zu sein. Schade, dass wir auch diese Erfahrung machen müssen aber die Touristenindustrie fährt in Húsavík über die Bedürfnisse von Wildtieren sprichtwörtlich drüber.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass es auch anders geht, wie wir zwei Tage später in Hauganes festestellen sollten. Dort erleben wir erneut eine Walbeobachtung, da sie bereits im Vorfeld gebucht war und wir fahren mit einem flauen Gefühl mit. So viel sei verraten, von dort gibt es wunderschöne Bilder.
Da wir die Situation nicht ändern können und uns auch damit nicht belasten wollen, fahren wir weiter und konzentrieren uns auf ein Gebiet, dass wir bereits gestreift haben, Myvatn.
Es gibt zahlreiche versteckte Perlen in dieser Region, wenn man sich die Mühe macht sich die Zeit zu nehmen und entsprechend ausgerüstet ist. Myvatn heißt auf Deutsch Mücken-See und wir haben das öfter gelesen, eine genaue Assoziation über den Namen haben wir aber nicht. Wir gehen insgeheim davon aus, dass es sich in Art um Umfang über die übliche Populationsdichte von Mücken handelt, die man normalerweise an Seen antrifft. Wir besuchen den See natürlich nicht unvorbereitet und besorgen uns Vor Ort ein Mittel gegen Mücken.
Als wir in der Nähe des Sees halten, um einen schönen Rundwanderweg zu suchen, bekommen wir einen leichten Vorgeschmack der Mücken und entschließen uns sehr reichlich von dem Mücken-Roll-On zu benutzen, dazu nehme ich noch die Jacke mit Kapuze.
Als wir noch in den Vorbereitungen sind, kommt ein weiterer Wagen auf den Parkplatz und das Paar macht sich unverzüglich auf zum ausgeschriebenen Weg, der gute Vogelbeobachtungen verspricht. Im Augenwinkel sah es beinahe so aus, als würden wir hämisch angegrinst oder ungläubig betrachtet, aufgrund der scheinbar übertriebenen Aktionen um uns gegen Mückenangriffe zu schützen. Wir sind noch gar nicht abmarschbereit, kommt das Paar zurück, verschwindet im Wagen und weg sind sie. Mein einziger Gedanke zu dem nur im T-Shirt bekleideten Mann ist, „Mutig?!“ und die Anzahl an Mücken um die beiden Flüchtenden war schier unglaublich.
Das Mittel das wir benutzen scheint zu wirken und wir bleiben so gut wie unbehelligt, die Wirkungsdauer wird mit 4 Stunden angegeben und so machen wir uns auf den Weg. Die Mücken sind wohl zahlreich aber nicht extrem und so entdecken wir viele faszinierende Vogelarten und können zahlreiche Bilder machen und geben uns ganz der Beobachtung hin, fasziniert und zufrieden ist es wie eine Art Interaktion mit den Tieren, die neugierig näher kommen.
Nach einigen Minuten, es ist etwa 18.00 Uhr, wird die Anzahl der Mücken mehr aber es lichtet sich in schattigen Bereichen wieder. Nachdem wir etwa 40-50 Minuten unterwegs sind, dabei einen Gehweg von vielleicht 10 bis 15 Minuten hinter uns gebracht haben, werden die Mücken immer zahlreicher und auch lästiger… und lauter. Eine Wand von Mücken, die eine Geräuschkulisse bieten, als wären wir in einen riesigen Heuschreckenschwarm geraten. Ein Bock hat seine liebe Not mit den Mücken und versucht sich durch einen kurzen Sprint von den Plagegeistern zu befreien. Ein aussichtsloses Unterfangen, in dichten Formationen und fantastisch anzusehenden chaotischen, geometrischen Figuren umschwärmen sie das Tier, der uns völlig gebannt und konsterniert anstarrt.
Der Blick über den See, um nach Vögel Ausschau zu halten, ist längst dem fassungslosen Staunen über das schaurige Schauspiel der Mückenschwärme gewichen und der Suche nach einem Weg, der den größten Abstand dazu verspricht. Es gibt aber sehr bald keinen Abstand mehr, sondern nur noch den Versuch sich möglichst von den Ballungszentren fern zu halten. Die Wolken, durch die wir gerade noch gewandert sind, werden immer dunkler und vor uns breitet sich ist eine undurchdringliche schwarze Wand von Mücken aus. Das ist der Zeitpunkt umzudrehen, um schnellen Schrittes zurück zum Parkplatz zu kommen. Die Mücken versuchen durch die Mikrofaser-Kleidung zu stechen, was ihnen nicht gelingt, sie suchen jede Öffnung und selbst beim atmen muss man aufpassen nicht Unmengen an Mücken in den Mund zu bekommen. Eine unachtsam formulierte Frage führte dazu, ein halbes Dutzend dieser Viecher im Mund zu haben, was einen unwillkürlichen Würgereiz zur Folge hat. Selbst die bis an das Kinn gezogene Kapuze und die bis über die Nasenspitze reichende gezippte Jacke hält die Mücken nicht mehr ab. Das Mücken-Mittel scheint langsam seiner Aufgabe nicht mehr nachzukommen. Der Weg vor uns verschwimmt im Meer von Mücken.
Kurz vor dem Ausgang, ein Wildgatter-Tor, stehen wir unmittelbar, weniger als 5m Meter, vor einer kleinen Schafherde, die uns exakt an der Spitze dieser Anhöhe entgegen kommt. Wir bleiben ebenso schlagartig, wie die Schafe auch, stehen und ein gegenseitiges taxieren beginnt. Da Kälber dabei sind, ist nicht klar ob ein Angriff zu erwarten ist und wir bleiben daher passiv, umringt von Mücken, Millarden davon, die diese gespannte Ruhe zu einem grausamen Geduldsspiel werden lassen. Zum einen müssen wir die Schafe im Blick haben, andererseits öffnet das den Mücken ungeahnte Möglichkeiten, schließlich wollen wir die Schafe nicht durch impulsive Bewegungen in Panik versetzen. Kurz entschlossen rücken wir etwas nach links, um den Schafen ein ausweichen auf eine angrenzende Wiese zu ermöglichen. Der Weg zum Parkplatz ist wieder frei und die Flucht wird fortgesetzt.
Beim Auto versuchen wir so rasch wie möglich die heftig angreifenden Mücken von der Kleidung zu streifen und so flink es nur irgendwie möglich ist, mit einem Schwung im Wagen zu verschwinden. Der Versuch es den Mücken so gut wie unmöglich zu machen auch in das Wageninnere zu kommen, gelingt leider nicht ganz, etwa 3 Dutzend Mücken schaffen es mit einzusteigen. Im Anbetracht wie viele es hätten sein können, ist das nicht der Rede wert.
Dieser See verdient diesen Namen und wir geben T-Shirts in Auftrag mit dem Slogan „survived Myvatn“.